Redebeitrag für die Vorabenddemo zum internationalen Frauen*kampftag
Posted: March 29th, 2017 | Author: stopdeportationsvienna | Filed under: Aktuelles, Beiträge | Comments Off on Redebeitrag für die Vorabenddemo zum internationalen Frauen*kampftagscroll down for english
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Unser Redebeitrag bei der Vorabenddemo zum internationalen Frauen*kampftag
Anlässlich des internationalen Frauen*kampftags wollen wir unsere Solidarität mit allen, die gegen sexistische und heteronormative Unterdrückungsformen kämpen, auf die Straße bringen. Mit diesem Redebeitrag wollen wir uns solidarisch zeigen mit allen geflüchteten Frauen*, Lesben, inter, non-binary und trans* Personen und Mädchen*. Im Jahr 2016 waren mehr als die Hälfte aller Personen die sich auf der Flucht befanden Frauen* und Mädchen. Genaue Zahlen zu LGBTIQ* Personen lassen sich nicht finden, aber schon 2011 wird von mehr als tausenden Asylanträgen EU weit gesprochen. Neben Krieg, Armut, Folter, staatlicher Repression und weiteren Menschenrechtsverletzungen, fliehen FLINT*-Personen und Mädchen* auch aufgrund geschlechtsspezifischer Fluchtursachen: Fluchtursachen, die direkt mit ihrem Geschlecht, ihrer Geschlechtsidentität oder ihrer sexuellen Orientierung in Verbindung stehen. Diese Fluchtgründe finden jedoch in Asylverfahren kaum Beachtung oder werden erschwert überhaupt als Asylgrund anerkannt.
Die Lebensrealitäten von geflüchteten FLINT*-Personen und Mädchen* werden, so heterogen die spezifischen Erfahrungen auch sind, durch Verschränkungen von sexistischen und heteronormativen Unterdrückungsstrukturen, die in vielen Fällen Ausschlag zu Flucht waren geprägt. Dazu zählen sexualisierte Gewalt oder staatliche und gesellschaftliche Verhaltensnormen, die die Selbstbestimmung und Handlungsmöglichkeiten einschränken. Die Situation von FLINT*-Personen und Mädchen* ist auch auf der Flucht aufgrund von speziellen Ausbeutungsmechanismen und sexuellen Übergriffen besonders prekär. Darüber hinaus wirken im Aufnahmeland sexistische Unterdrückungsmechanismen wie Diskriminierung am (informellen) Arbeitsmarkt, Zuschreibung von Passivität und Viktimisierung, sexualisierte Gewalt in den Unterkünften mit rassistischen Unterdrückungsformen zusammen. Darunter fallen sowohl der Ausschluss von sozialen und politischen Rechten, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit oder aber rassistische Übergriffe und Gewalt. Die aktuellen Kleidervorschriften und – verbote sind beispielhaft für die Verschränkungen sexistischer und rassistischer Diskurse.
Wird über geschlechtsspezifische Fluchtgründe gesprochen sind implizit oft frauen*spezifische Fluchtgründe gemeint. Diese werden politischer Verfolgung im Sinne der GFK gegenübergestellt, frauen*spezifische Fluchtgründe dadurch als privat und nicht politisch motiviert gewertet. Die Vorstellungen davon, was als politische Verfolgung gewertet wird und damit für eine Anerkennung in Asylverfahren qualifiziert und was nicht, spiegelt die Sphärentrennung zwischen öffentlich versus privat wieder und ist geschlechtlich konnotiert. Der Prototyp, nach dem sich das Asylrecht richtet und der die Interpretation der GFK, EMRK sowie EU-Richtlinien leitet, ist immer noch eine männliche, politisch in der öffentlichen Sphäre aktive Person, die durch den Staat verfolgt wird. Verfolgung aufgrund des Geschlechts stellt keinen Fluchtgrund im Sinne der GFK dar, sondern wird unter Verfolgung einer bestimmten sozialen Gruppe subsumiert. Verfolgung durch nicht-staatliche Akteur*innen im privaten Bereich findet aufgrund dieser patriarchalen Rechtssprechung nach wie vor nur unter erschwerten Bedingungen Anerkennung. Wir stehen ein für eine feministische Perspektive, die auf die endgültige Überwindung des Patriarchats abzielt!
Werden frauenspezifische Fluchtgründe thematisiert, geschieht dies meist in Verbindung mit sexualisierter, patriarchaler Gewalt, die einem als fremd markierten Männlichkeitskonstrukt bzw. einerm als patriarchal, fremd und ‚orientalisch‘ imaginierten Gesellschaftssystem zugeschrieben wird. Geschlechtsspezifische Gewalt wird so einem als fremd markierten Anderen zugeschrieben und als europäischen Werten und Normen entgegenstehend diskutiert. Dies reiht sich in einen gegenwärtigen Diskurs um Emanzipation und Integration ein, indem Sexismus und sexualisierte Gewalt als ein Problem des konstruierten Anderen verhandelt wird. Durch Ethnisierung von Sexismus soll das Bild erhalten bleiben, in Europa wäre das Ziel der Emanzipation und Gleichstellung bereits längst erreicht. Dies schafft ein Klima, in dem es von Gewalt betroffenen Personen immer schwerer gemacht wird, diese überhaupt zu thematisieren. Gleichzeitig werden Wertekurse und Integrationsmaßnahmen als Bringschuld von geflüchteten Personen als Lösungen für Sexismus und sexualisierte Gewalt präsentiert. Antifeministische und patriarchale Gesellschaftsstrukturen in den Aufnahmeländern werden dadurch geschickt verschleiert. Unser Feminismus bleibt antirassistisch! Sexualisierte Gewalt ist überall anzugreifen und Patriarchat als Herrschaftsstruktur abzuschaffen!
Sexistische, rassistische und kapitalistische Ideologien bedingen sich wechselseitig. Patriarchat und Kapitalismus können nicht einzeln analysiert, sondern nur zusammen gedacht und bekämpft werden. Migrationspolitiken werden der kapitalistischen Verwertungslogik untergeordnet. Diese bedingt eine massive Ausgrenzung nach Außen, die sich in einer immer stärker militarisierten Abschottungs- und Abschiebepolitik zeigt. Abschiebungen in Militärflugzeugen, Verlagerung der Außengrenzen nach Nordafrika und in die Türkei, die Ausweitung sogenannter sicherer Herkunftsländer, das Mittelmeer als Massengrab- die Festung Europa wird ausgebaut.
Gleichzeitig verschärft sich die Ausgrenzung auch nach Innen. Diese lässt sich an rassistischen Exklusionen festmachen, wie sie in Österreich gerade an der Planung von geschlossenen Abschiebelagern sowie weiteren Verschärfungen des Asylrechts entschieden werden. Was dabei vor ein paar Jahren als rechte Agitation verworfen wurde, wird mittlerweile als gesellschaftlicher Konsens weitgehend akzeptiert. Kapitalistische Verwertungslogik und Ausgrenzung sind miteinander verwoben und bauen aufeinander auf. Das gute Leben für alle ist nur jenseits von Kapitalismus und Patriarchat möglich!
Our speech at the demonstration on the eve of International Women’s* Fight Day
On the occasion of the International Women’s* Fight Day we want to bring our solidarity with every person fighting sexist and heteronormative structures of oppression to the streets. With this speech we want to show our solidarity with all refugee Females*, Lesbian, Inter, Non-Binary, Trans persons and girls*to the streets. In 2016, more than half of all refugees were women* and girls*. There are no exact numbers for LGBTIQ* persons, but already in 2011 there were more than thousands of applications for asylum eu-wide. Apart from war, poverty, torture, state repression and other human rights violations, FLINT* persons and girls* also flee for gender-specific reasons: causes of flight directly connected to their gender, their gender identity or their sexual orientation. These causes of flight are often neglected in asylum procedures or are difficult to be acknowledged as such.
As heterogeneous the specific experiences are, realities of life from FLINT* refugees and girls* are shaped by the entanglement of sexist and heteronormative structures of oppression that often also caused them to flee. Sexualized violence make part of them as well as codes of conduct by state or society that limit self-determination and possible course of action. Also during the escape, FLINT* persons and girls* face an particularly precarious situation because of special mechanisms of exploitation and sexual assaults. Beyond that, sexist mechanisms of oppression in the receiving country, such as discrimination at the (informal) labour market, ascriptions of passivity and victimisation, sexualised violence in accommodation act together with racist forms of oppression like exclusion of social and political rights, the restriction on freedom of movement or racist assaults and violence. Current clothing regulations and bans are examples for the entanglement of sexist and racist discourses.
When talking about gender-specific causes of flight, many times women*-specific causes of flight are meant. They get opposed to political prosecution as defined by the “Geneva Convention relating to the Status of Refugees” and thus judged as private and not politically motivated. The ideas of what is seen as political prosecution and therefore qualified for recognition in the asylum procedure and what is not, mirrors the division of public versus private sphere, which is connoted by gender. Asylum law is formed for a prototype that continues to be a male, politically active person in the public sphere, who is prosecuted by the state. Prosecution on behalf of gender is no cause of flight defined by the Geneva Convention, but is subsumed by “prosecution of a specific social group”. Therefore, prosecution by non-state actors in the private sphere still lacks recognition because of patriarchal jurisdication. We stand for a feminist perspective, aiming at the final overcoming of patriarchy!
Broaching the issue of women*-specific causes of flight is often combined with sexualised, patriarchal violence ascribed to a construct of masculinity marked as foreign and accordingly a system of society imagined as patriarchal, foreign and “oriental”. Gender-specific violence is then connoted to the constructed “other” and seems to be in contradiction to whatever European values and norms. This forms part of a current discourse about emancipation and integration, where sexism and sexualised violence are discussed as problems of the constructed “other”. The image of emancipation and equalisation being achieved in Europe is nourished by “ethnicisation of sexism”. In this situation it becomes even more difficult for persons affected by violence to talk about it. At the same time, socalled value courses and integration classes forced onto refugees are presented as solutions against sexism and sexualised violence. That’s how antifeminist and patriarchal structures of society in the receiving countries get disguised. Our feminism remains anti-racist! Sexualised violence has to be attacked everywhere and patriarchy as a structure of dominance has to be abolished!
Sexist, racist and capitalist ideologies cause each other. Patriarchy and capitalism cannot be analysed one by one, but have to be thought- and fought together. Migration politics are subordinated to capitalist logic of exploitation. This leads to a massive exclusion to the outside, most noticeable in the policies of segregation and deportations, that become more and more militarised. Deportations in military planes, the shifting of Europe’s external borders towards North Africa and Turkey, new socalled “safe” countries of origins, the Mediterranean as a mass grave – Fortress Europe is expanding. At the same time exclusion to the inside is intensified. Racist exclusions like plans of closed deportation camps and further asylum law restrictions are being agreed upon in Austria. What had been dismissed as right-wing agitation some years ago, has in the meanwhile become widely accepted as social consensus. Capitalist logic of exploitation and exclusion are entangled and build on each other. Good life for all only is possible beyond capitalism and patriarchy!